Wer eine Erklärung abgibt, zumal eine Regierungserklärung, der will nicht groß diskutieren. Sondern sagen, was ist und warum was wie gemacht werden soll. So hatte es eine gewisse Logik, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwoch im Landtag nach seiner Regierungserklärung zu den von der grün-schwarzen Regierungskoalition beschlossenen Bildungsreformen nicht noch ein zweites Mal an das Rednerpult ging, um auf die wütenden Gegenreden von SPD, FDP und AfD einzugehen, die auf seine Regierungserklärung folgten.

Nach einem kurzen emotionalen Statement der Kultusministerin Theresa Schopper war somit schon Ende der parlamentarischen Debatte – was die Opposition wiederum mit großer Empörung quittierte.

Aber: „Die Regierung handelt, die Opposition opponiert“, so ist es eben, das hatte Kretschmann schon in der Vorwoche gesagt, als die zweite Gesprächsrunde zum Schmieden einer großen Bildungsallianz von Grünen und CDU mit SPD und FDP im Kloster Bebenhausen unter lautem Getöse und dem demonstrativen Auszug der Fraktionschefs Andreas Stoch (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP) geplatzt war.

Sie hatten keine Gesprächsbereitschaft der Regierungsfraktionen gesehen und nicht zum Abnicken der Beschlussvorlage herhalten wollen. Ein wohl geplanter Eklat, schon zuvor hatten alle Seiten hinter den Kulissen taktiert, wie sie sich jeweils gesichtswahrend aus der Bildungsreformaffäre ziehen könnten. Bis auf die AfD, die ohnehin weder inhaltlich eingebunden noch zu von Kretschmann zu den Bildungsallianzgesprächen geladen gewesen war.

„Größtes Bildungspaket“

So quittierten Stoch und Rülke am Mittwoch im Parlament das von Kretschmann geäußerte Bedauern darüber, dass nun doch keine große Bildungsallianz zustande gekommen sei, aber doch immerhin eine kleine, mit höhnischem Gelächter. Unbeirrt davon lobte Kretschmann, was Grüne und CDU ausgehandelt haben, als „das größte und umfassendste Bildungspaket“, das er in seiner Zeit als Abgeordneter erlebt habe. „Und Sie wissen: Ich bin schon ein Weilchen dabei“, sagte Kretschmann.

Grüne und CDU wollen nun die Beschlüsse schnellstmöglich in Gesetze gießen und durchs Parlament bringen, wie Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz versprach. Kernpunkte der Reformpläne sind die Einführung eines „neuen“ neunjährigen Gymnasiums zum Schuljahr 2025/2026, das dann in den Klassen fünf und sechs starten soll; zusätzlich sollen Gymnasien je nach Bedarf vor Ort weiter G8-Züge anbieten können – mehr Geld gibt es allerdings nicht dafür.

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Um keinen Ansturm auf das neue G9 auszulösen, sollen, so der Koalitionssprech, „die Schülerströme gesteuert werden“, und zwar mit der Wiedereinführung einer Grundschulempfehlung, die aber nicht wieder „verbindlich“, sondern nur „verbindlicher“ als bisher sein solle. „Das ist keine Rückkehr zur alten Grundschulempfehlung, sondern eine breitere und besser evaluierte Empfehlung“ so Kretschmann, der auch die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Schule wieder stärken in den Fokus nehmen will.

Pläne für Ganztag

Auch der Ganztag an Grundschulen soll flächendeckend kommen, allerdings noch nicht gleich; verbindliche Ganztagsgrundschulen sollen zunächst einmal nur in Brennpunkt-Gegenden kommen. Dazu soll der Werkrealschulabschluss abgeschafft und der Zusammenschluss von Werkrealschulen mit Realschulen zu Verbundrealschulen ermöglicht werden. Zum Reformpaket gehört auch der Ausbau der Sprachförderung in der frühkindlichen Bildung an Kitas und Grundschulen.

Mit diesen Maßnahmen, so Kretschmann in seiner Regierungserklärung, stelle man das Schulsystem auf eine „gute, stabile und zukunftsfähige Basis“. Das Paket stärke die Bildungsgerechtigkeit, gebe den weiterführenden Schulen ein klares und attraktives Profil, sorge für mehr Übersichtlichkeit der Schullandschaft und gebe Eltern und Kindern mehr Orientierung.

„Keiner glaubt Ihnen, dass das ein großer Wurf ist“

Der Stachel bei SPD und FDP aber sitzt tief. „Das sind wohlfeile Reden. Kein Mensch glaubt Ihnen, dass das ein großer Wurf ist“, erwiderte SPD-Fraktionschef Stoch, der nicht mit beißender Kritik an der bildungspolitischen Bilanz von Grün-Schwarz sparte. Die Koalition habe über Jahre viel zu wenig für die Bildung gemacht und sei nur nach der „Abstimmung mit den Füßen“ durch die G9-Initiative und unter größtem Druck von Eltern und Lehrern aus ihrem „bildungspolitischen Tiefschlaf erwacht – nach acht Jahren Stillstand und Aussitzen“, so Stoch.

Auch FDP-Fraktionschef Rülke sparte nicht mit Kritik. „Die Abschaffung des Werkrealschulabschlusses ist falsch“, so Rülke, „hier wird ein funktionierendes, ein erfolgreiches System zerschlagen.“ Zudem nahm Rülke Kretschmann nicht ab, wirklich eine Bildungsallianz gewollt zu haben. „Die haben Sie von Anfang an torpediert“, griff der FDP-Politiker Kretschmann an, „es war immer ihr Ziel, zu sagen: Schulpolitik macht meine Regierung und nach mir die Sintflut“, so Rülke.

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel, der einen „neuen bildungspolitischen Realismus“ in der Regierungskoalition lobte, versprach SPD und FDP, auch künftig an Zusammenarbeit interessiert zu bleiben. „Unsere Hand bleibt ausgestreckt“ so Hagel. Eine Äußerung, die Rülke mit Beifall, SPD-Vizefraktionschef Sachsa Binder dagegen mit Spott quittierte. Wenig Hoffnung dagegen dürfte sich die AfD machen, künftig besser eingebunden zu werden. „Dass die AfD vom Bildungsgipfel ausgeschlossen war, dieses Verhalten ist eines Ministerpräsidenten unwürdig“, kritisierte AfD-Fraktionschef Anton Baron.